Der Kreistag von Görlitz hat auf seiner Sitzung am 24.06. 09 einen für den Görlitzer Nahverkehr folgenreichen Beschluss gefasst. Der Kreis unterstützt die Stadt Görlitz bei der Absicherung ihres öffentlichen Nahverkehrs mit 850.000 Euro. Dies sind 250.000 Euro mehr als ursprünglich zugesichert waren. Allerdings stellt dieser Beschluss die Stadt Görlitz vor eine große Herausforderung, bedarf es doch für die komplette Finanzierung 3 Millionen Euro jährlich wobei im städtischen Haushalt nur 1,5 Millionen eingeplant sind. Die Finanzierungslücke von 650.000 Euro muss nun geschlossen werden.
Die Frage, die offen bleibt ist: Warum muss die Stadt 3 Millionen an einen privaten Anbieter überweisen? Die Antwort ist schnell gefunden. Als die Görlitzer Stadtwerke verkauft worden sind, wurde auch der Nahverkehr mit veräußert und in einem Vertrag die jährliche Zahlung der Summe für diesen vereinbart. Allerdings nicht speziell für den Nahverkehr, sondern als Gesellschafterzuschuss. Die damalige Rechtsaufsicht – das Regierungspräsidium Dresden – genehmigte den Vertrag. Heute, wo Görlitz nicht mehr kreisfrei ist, sondern zum Landkreis Görlitz gehört, fällt uns eben diese Reglung auf die Füße. Sollte die Stadt Görlitz die vertraglich vereinbarte Zahlung nicht mehr leisten, so bekommt sie den Nahverkehr zum aktuellen Wert zurück übertragen, was finanziell das Ende von Görlitz bedeuten würde. Denn hierbei ist von einer dreistelligen Millionensumme die Rede, welche dann fällig wäre. Der Landkreis selbst kann aber auch nicht die komplette Finanzierung übernehmen, würde dies doch eine Ungleichbehandlung gegenüber andern Kommunen im Kreis Görlitz bedeuten und letztlich über die Kreisumlage dazu führen, dass alle Gemeinden den Nahverkehr von Görlitz finanzieren.
Eine Lösung kann hier nur der Freistaat selbst aufzeigen, war es doch seine Behörde, die im Jahr 2002 kein Problem im Abschluss dieses sicher etwas außergewöhnlichen Vertrages gesehen hat, und war es doch der Freistaat, der die Kommunen ermutigt hat alles zu privatisieren, was geht. Dass schon damals klar war, dass hier Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden, kommt erschwerend hinzu, stellt sich aber in die lange Reihe der Fehlentscheidungen des Freistaates und der daraus resultierenden Schwächung der Kommunen. Die Frage, ob Görlitz bessere Bedingungen in den Verhandlungen mit dem Landkreis hätte erzielen können, stellt sich nicht mehr – ist doch der Verhandlungsstil des Oberbürgermeisters und die nicht Offenlegung der tatsächlichen Kosten des Nahverkehrs ein zwar ärgerlicher aber leider nicht mehr zu ändernder Umstand.
Bleibt uns also nur noch nach vorn zu sehen und nach Lösungen zu suchen. Um dies zu können, sollten wir erst einmal im Stadtrat und mit den BürgerInnen diskutieren, welche Grundvoraussetzungen wir an den öffentlichen Nahverkehr in unserer Stadt stellen. Was wollen wir erhalten, was wollen wir ausbauen und was muss geändert werden um attraktiver zu sein. Wenn wir das für uns geklärt haben, dann müssen wir mit den Verkehrsbetrieben bzw. den Stadtwerken Klartext reden, denn es ist sicher nicht in ihrem Interesse den völligen Kollaps des Nahverkehrs voranzutreiben. Da uns die Stadtwerke aber bereits entgegengekommen sind und eine langfristige Absenkung des Zuschusses ermöglichen, brauchen wir auch noch einen dritten Mitspieler und dieser ist ganz klar der Freistaat. Das Land Sachsen war es schließlich, welches den Vertrag genehmigt hat und es war auch der Freistaat, welcher es unterlassen hat, im Rahmen der Aufgabe der Kreisfreiheit von Görlitz klare Reglungen zu schaffen. Nun muss in Dresden entschieden werden, wie Görlitz in die Lage versetzt wird seinen Nahverkehr für die BürgerInnen abzusichern. Eine radikale Reduzierung oder eine durch den Oberbürgermeister ins Gespräch gebrachte Einstellung der Straßenbahn sind jedenfalls nicht die Lösung. Der Nahverkehr ist Pflichtaufgabe und das sollte uns immer bewusst sein, wenn wir – wie ich hoffe – in den nächsten Wochen gemeinsam nach Lösungen suchen.