Tag: Papst

Keine Macht den Dogmen

Unter dem Motto „Keine Macht den Dogmen“ demonstrierten am 22.09. rund 15000 Menschen gegen die Politik des Papstes und gegen die Entscheidung, ihm den Deutschen Bundestag als Podium zur Verfügung zu stellen. Über 70 Organisationen haben zu dieser Demonstration mobilisiert und so war auch die Vielschichtigkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Atheisten, Agnostiker, Homosexuelle, Transsexuelle, Kirchenkritiker, AIDS-Initiativen, Opfer der diskriminierenden Personalpolitik der katholischen Kirche, Gewerkschafter und viele mehr.

DIE LINKE war mit einem eigenen Demowagen beteiligt. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete unserer Fraktion zogen es vor, für Menschenrechte und gegen Dogmen zu demonstrieren und blieben der Werbeveranstaltung im Bundestag fern. Es ist schon erschreckend, wie scheinbar selbstverständlich der Papst als moralische Instanz anerkannt wird und wie wenig Widerspruch sich im Parlament geregt hat, obwohl die katholische Kirche selbst gegen Gesetze verstößt, die dieser Bundestag mehrheitlich beschlossen hat. Trotz des im Grundgesetz verankerten Verbots der Diskriminierung wegen sexueller Orientierungen kündigt die katholische Kirche alle sich offen als homosexuell bekennenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die katholische Kirche verstößt damit gegen geltendes Recht. Bereits an diesem Beispiel kann man erkennen, warum man von unseren demokratisch gewählten Politikerinnen und Politikern erwarten kann, dass sie Klartext reden und genauso wie sie Menschenrechtsverletzungen in zahlreichen Staaten dieser Erde anprangern, wenn es ihnen ins politische Weltbild passt, genauso müssten sie den Papst auffordern, die Menschenrechte endlich anzuerkennen, die Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts zu akzeptieren und nicht durch das Verbot von Kondomen tausende Menschen in den Tod zu schicken. Der Umgang mit den Missbrauchsfällen innerhalb katholischer Einrichtungen, die Weigerung zur Aufklärung, es sei denn, es geht gar nicht mehr zu leugnen, die Diskriminierung von Frauen oder Menschen, die einen geschiedenen Partner heiraten wollen, alle diese katholischen Handlungsweisen müssten deutsche Politiker auf den Plan rufen und sie würden auch laut schreien, wenn es sich um einen Staat in Osteuropa, Afrika oder Mittelamerika handeln würde. Aber bei der katholischen Kirche schweigen sie, bzw. noch schlimmer, sie werten es mit der Privilegierung der katholischen Kirche auf.

David Berger, einst ein Shootingstar in der erzkonservativen katholischen Szene und inzwischen als „Sodomit“ geschasst, weil er sich zu seiner Homosexualität bekannt und von der katholischen Amtskirche abgewendet hat, spricht zu den Protestierenden: „Das war eine große PR-Aktion für den Vatikan. […] Unter dem Schutz dieser PR werden wieder Forderungen von der katholischen Kirche kommen gegen die Gleichberechtigung homosexueller Menschen, besonders bei den eingetragenen Partnerschaften und der Ehe. Man wird sich darauf berufen können und einen entsprechenden Rückhalt haben durch dieses großartige Auftreten des Papstes und den Applaus der Bundestagsabgeordneten“ und Michael Schmidt Salomon von der Giordano- Bruno-Stiftung brachte es auf den Punkt, indem er den Politikerinnen und Politikern zurief: „Wir fordern die deutschen Politikerinnen und Politiker auf: Legen Sie den falschen Respekt vor der Amtskirche ab! Und erfüllen Sie endlich den Job, für den Sie als Vertreter einer offenen, modernen Gesellschaft bezahlt werden! … Da es in Deutschland mittlerweile mehr konfessionsfreie Menschen als Katholiken gibt und nur noch wenige deutsche Katholiken die Positionen des Papstes unterstützen, stehen die Chancen für einen grundlegenden Wandel günstig: Es ist an der Zeit, die Trennung von Staat und Kirche zu vollenden. Beseitigen wir die Reste des alten, autoritären, patriarchalen Denkens, für das die katholische Kirche wie kaum eine andere Institution weltweit steht! „

Ich bin froh, an diesem Tag zusammen mit so vielen Menschen in Berlin gewesen zu sein und hoffe, das Signal wird verstanden. Es geht nicht gegen die Menschen, die an einen Gott glauben wollen, es geht gegen die Politik einer Amtskirche und ihrer Führer. Wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, muss Widerstand zur Pflicht werden. Keine Toleranz der Intoleranz.


Der Papst fährt nach Berlin, ich auch

Stellen wir uns ein Land vor, in dem Frauen keine Führungsrolle übernehmen dürfen, in dem Staatsdiener massenhaften Kindesmissbrauch begehen und dafür keine Konsequenzen zu fürchten haben. Stellen wir uns einen Staat vor, in dem Homosexualität als Krankheit gilt, Scheidung verboten ist und in dem Tausende an Aids sterben, weil effektiver Schutz nicht statthaft ist. Stellen wir uns einen Staat vor, wo der Staatschef von einer kleinen Gruppe bestimmt wird und stellen wir uns nun vor, diesen Staatschef würde jemand einladen, vor dem Deutschen Bundestag eine Rede zu halten. Das wäre unmöglich. Am 22.09.2011 passiert genau das.

Ich werde auch in Berlin sein und an der Demonstration unter dem Motto „Keine Macht den Dogmen“ teilnehmen. Weitere Informationen zur Demonstration gibt es hier: http://www.derpapstkommt.de/

Ich spreche niemandem das Recht ab, zu glauben an was er will, ich nehme mir aber auch das Recht, meine Meinung frei zu äußern.

Hintergrund:

Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. wird im Rahmen seines Staatsbesuchs in Deutschland vom 22. bis 25. September auch den Bundestag besuchen und am Donnerstag, 22. September 2011, im Plenarsaal zu den Abgeordneten sprechen. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche und des Staates Vatikanstadt mit Zustimmung aller Fraktionen eingeladen, im deutschen Parlament eine Rede zu halten. Sie wird ab 16.30 Uhr live im Parlaments- fernsehen und im Web-TV auf www.bundestag.de übertragen. Nach den Begrüßungsworten des Präsidenten wird der Papst etwa eine halbe Stunde lang sprechen.
Benedikt XVI. ist der erste deutsche Papst seit 1523 und der erste Papst, der vor dem deutschen Parlament spricht. In der 62-jährigen Geschichte des Bundestages ist er das 13. amtierende ausländische Staatsoberhaupt, das eingeladen wurde, zu den Abgeordneten zu sprechen. Quelle: www.bundestag.de


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