An der Möglichkeit, wie man sich auch ohne Auto in einer Region bewegen kann, entscheidet sich zunehmend, wie attraktiv die Region für Besucher und Investoren ist. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, sie wird aber bis heute nicht als Standtortfaktor ernsthaft mit in die Entwicklung des Landkreises Görlitz einbezogen. Wenn die Diskussion auf den Nahverkehr kommt, dann werden Kostenfaktoren und Einsparungsmöglichkeiten diskutiert und über die angebliche Rückläufigkeit der Nutzerzahlen berichtet. Dass sich aber Nutzerzahlen auch wegen Preisgestaltung und Netzausdünnung rückläufig entwickeln wird dabei verschwiegen.

Wenn z. B. nur noch am Morgen und am Abend jeweils ein Bus in einen Ortsteil fährt, so sind die Bewohner darauf angewiesen, sich ein individuelles Verkehrsmittel zu beschaffen. Hat man dies einmal getan, wird man auch die wenigen Möglichkeiten der öffentlichen Verkehrsmittel weniger oder gar nicht mehr nutzen. Ein weiterer Grund, warum mehr Menschen nicht mehr in der Lage sind sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen, zeigt sich in der Aufwärtsspirale der Preise. Wenn es nicht gelingt aus der Logik „Weniger Gäste gleich höhere Preise“ auszubrechen, dann werden wir auch keine Änderung des Nutzungsverhaltens erleben. Wer den öffentlichen Personenverkehr fördern will, muss ihn aus der Gewinnlogik in eine „Nutzen-für-Alle-Logik“ überführen.

Wenn wir uns das touristische Potenzial anschauen, zeigt sich neben Umweltgesichtspunkten und aus der Notwendigkeit für die Mobilität der hier lebenden Menschen, ein weiterer besonderer Grund, warum gerade im Landkreis Görlitz ein dichtes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln von Vorteil ist. Gäste unserer Region, die bereits bei der Anreise ein attraktives Angebot für die Nutzung von Bus und Bahn erhalten – dies wäre zum Beispiel über eine Lausitzkarte möglich – lassen sich sicher schnell überzeugen ihren Urlaub in der Region durch die Besichtigung zahlreicher Attraktivitäten der näheren und weiteren Umgebung zu bereichern. Wie wäre es zum Beispiel, wenn ein an Architektur interessierter Besucher von Görlitz auch gleich die Möglichkeit hätte das Schminke-Haus in Löbau, das Umgebindeland oder die Schrotholzhaussiedlung in Niesky in seinen Besuch mit einzubinden und dafür nicht erst ins eigene Auto zu steigen. Wie viele Besucherinnen könnten wir mehr in die Region locken, wenn neben einer dringend notwendigen Anbindung an den schienengebundenen Fernverkehr auch ein Nahverkehrsnetz da wäre, das es ermöglicht den gesamten Landkreis zu erschließen, ohne dass man dafür mit einem Auto fahren müsste.

Urlaubsregionen sind auch dadurch attraktiv, dass sie vielschichtige Angebote mit Erholung verbinden. Nicht alle Entscheidungen, die dafür notwendig sind, fallen in die Zuständigkeit des Landkreises. Aber auch Entscheidungen, die im Landtag oder Bundestag, auf der Ebene des Landes Sachsen oder in Berlin bei der Bundesregierung fallen, sind nur dann zu erwarten, wenn die Kreisebene neben einem sinnvollen Konzept auch den notwendigen Druck erzeugt, damit die Region nicht auf dem Abstellgleis landet, sondern der Fern- und Nahverkehr zu einem Motor der Lausitz wird.

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