Am 1. September vor 71 Jahren überfiel Hitlerdeutschland Polen. Dieser Tag gilt seitdem als Beginn des 2. Weltkrieges. Seit der Befreiung wird der Tag als Weltfriedenstag begangen, ein Tag der mahnen, aufklären und erinnern soll. Aber auch ein Tag, an dem wir gemeinsam Freundschaften, über Staatsgrenzen hinweg, pflegen sollten. Politik für den Frieden ist mehr als sich nicht militärisch zu bekämpfen. Politik für den Frieden ist der tägliche Versuch, den Anderen zu verstehen, gemeinsame Wege zu gehen, ohne gleichzuschalten. Politik für den Frieden ist die Herausforderung, Hass und Missgunst zu überwinden und Fremdes als Bereicherung, nicht als Bedrohung zu empfinden. Der 1. September ist in unserer Geschichte nicht nur wegen des Überfalls auf Polen eine Zäsur. An diesem Tag wurde 1941 der Polizeierlass verkündet, welcher jüdische Menschen in Deutschland zwang, sich mit einem gelben Stern zu kennzeichnen. Am 1. September erließ Hitler den sogenannten Euthanasieerlass, in dessen Folge über 100.000 Menschen ermordet, die vom deutschen Staat als geisteskrank oder behindert eingestuft wurden. Es gibt also einige Gründe, den 1. September zu nutzen, um zu Wachsamkeit und Widerstand gegen revisionistische Tendenzen aufzurufen. Nicht nur neue Nazis in Parlamenten oder bei Demonstrationen sind Gefahren, denen es entschlossen entgegen zu treten gilt. Nein – die Verklärung in der Mitte der Gesellschaft, die Darstellung, dass der Nationalsozialismus ein „zeitgeschichtlicher Unfall“ war und dass eigentlich die Deutschen ein „einig Volk von Widerstandskämpfern“ waren sind eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wer die Geschichte verleugnet, wer sie uminterpretiert, wer Verbrechen der Vergangenheit aus Angst vor der Aus-einandersetzung relativiert, der legt den Nährboden für neuen Hass, für neuen Rassismus.

Anerkennung der Grenze

2010 ist aber auch das Jahr, in dem wir an der Grenze zu Polen ein weiteres Jubiläum begehen. Leider ist dies nur noch schwach in Erinnerung. Vor 60 Jahren wurde in Zgorzelec der Oder-Neiße-Friedensvertrag unterzeichnet, ein Vertrag, der eben jener Grenze lange den Beinamen „Oder-Neiße-Friedensgrenze“ verlieh. Der vor 20 Jahren in einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der Republik Polen über die Anerkennung der Grenzlinie und den Verzicht Deutschlands auf „ehemalige“ Gebiete mündete.
Deutsche und Polen leben heute gemeinsam mit Tschechen und Sorben in der Euroregion. So manchem fällt es auch heute noch schwer, die Gemeinsamkeiten zu betonen, die Region als unser gemeinsames Zuhause zu empfinden. Es wird noch einige Generationen dauern, ehe wir mit Selbstverständlichkeit die Gemeinsamkeiten betonen, ehe Vorurteile und Angst auf allen Seiten einer Freundschaft aus Überzeugung gewichen sind.
Es ist unsere Aufgabe, auf das gelegte Fundament jetzt ein gemeinsames Haus zu bauen und es zu beleben. Es ist unsere Aufgabe, aufzuklären und zu widersprechen, wenn alte Vorurteile gepredigt werden. Wer wie die CDU im Kreis Görlitz scheinbar populäre Forderungen nach geschlossenen Grenzen propagiert, wer glaubt, dass wir überlegen sind, nur weil unsere Kaufkraft stärker ist, wer denkt durch die Hintertür vermeintlicher Traditionspflege wieder Besitzansprüche stellen zu können, den müssen wir in seine Schranken weisen. Genauso wie wir die Probleme, welche im Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, unterschiedlicher Erfahrungen und unterschiedlicher Sprachen nicht durch die rosa Brille verklären dürfen. Ein ehrliches und offenes Miteinander ist der Garant für eine gemeinsame Zukunft hier in der Euroregion und in Europa.
Die LINKE in der Oberlausitz, der Kreisverband Görlitz zusammen mit dem Kreisverband Bautzen, werden gemeinsam mit vielen Partnern aus Polen und Deutschland am 1. September ein Friedensfest auf der Altstadtbrücke in Görlitz feiern. Das erstmals wirklich ein gemeinsames polnisch/deutsches Fest der Erinnerung und des Friedens werden soll.