„Wat brauchst du Jrundsätze“, sacht er, „wenn du’n Apparat hast!“ Und da hat der Mann janz recht. Ick werde wahrscheinlich diese Pachtei wähln – es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich. …

Gerd E. Schäfer rezitierte auf der CD Jazz – Lyrik -Prosa den Kurt Tucholsky Text „Ein älterer, aber leicht besoffener Herr“. Aus diesem stammt der vorangestellte Textabschnitt. Warum mir dieser Text, kurz nach der Entscheidung des geschäftsführenden Parteivorstandes zur Mitgliederbefragung, in den Sinn gekommen ist, lässt sich leicht erklären. Hab ich doch vor Kurzem erst über ein Programm abgestimmt, welches mehr Mitspracherechte auf fast allen Ebenen einforderte. Ich kann mich auch noch an Oskar erinnern, dieser sagte auf dem Gründungsparteitag der LINKEN „Und ehe wir mit dem Finger auf andere zeigen oder Volksentscheide und Volksabstimmungen fordern, müssen wir uns selbst verpflichten. Richtungsentscheidungen in unserer neuen Partei müssen der Mitgliederbefragung unterworfen werden. Direkte Demokratie ist nur dann glaubhaft zu vertreten, wenn wir bei uns anfangen!“. Mir klingen auch noch die Worte des Parteivorsitzenden auf der Konferenz der Kreisvorsitzenden in Hannover in den Ohren, wo er sinngemäß sagte „die Wahl der Vorsitzenden sowie der Entscheidung über Koalitionsverträge sollten durch Mitgliederentscheide erfolgen“.

Nun darf man mir als Parteimitglied nicht übel nehmen, wenn ich wegweisende Worte auf Parteitagen oder Veranstaltungen Ernst nehme. Es darf mir auch niemand böse sein, wenn ich nicht schnell genug erfasse, was nur gesagt wird, weil es als Forderung gut klingt und was wirklich umzusetzen sei, bisher dachte ich immer hinter unseren Forderungen, steht auch der Anspruch sie umsetzen zu wollen. Ich war am Anfang kein Freund der Idee einer Mitgliederbefragung, zu aufwendig, zu teuer und die Kandidaten haben kaum eine Chance sich allen Mitgliedern vorzustellen. Ich habe meine Meinung geändert und dies, bevor Dietmar seine Kandidatur bekannt gab und dies mit einer Mitgliederbefragung verbunden hat. Ich habe meine Meinung geändert, weil ich in vielen Gesprächen erfahren habe, wie sehr so mancher unserer Freunde, wie sehr manche unserer Wählerinnen es spannend gefunden hätte, wenn wir das übliche Parteiprozedere durchbrochen hätten. Wie glaubwürdig unsere Forderungen geworden wären, wenn wir sie selbst gelebt hätten. Ich war erstaunt zu hören, da könnt ihr Mal beweisen ob ihr es wirklich anders machen wollt. Ich gebe zu, ich habe meine Meinung geändert und bin heute ein Verfechter der Mitgliederbefragung. Ich habe meine Meinung geändert, weil mich Argumente überzeugten, nicht Kandidaten und weil ich in den Spiegel schauen will und sagen „du bist auch bereit zu tun, was du von anderen verlangst“

Im Text von Kurt Tucholsky redet der älterer aber leicht besoffener Herr über die SPD. Ich möchte nicht den Tag erleben an dem Menschen zu uns kommen und sagen: „Ich werde wahrscheinlich LINKE wählen – es ist so ein beruhigendes Gefühl. Man tut, als ob man Veränderungen will, aber man weiß genau: Mit diese Partei kommen sie nicht.“

Liebe Genossinnen und Genossen ich habe nur diese eine Partei und darum werde ich kämpfen, kämpfen darum, dass wir nicht an Personen festmachen, wie unsere Wahlverfahren aussehen, kämpfen darum, dass sozialistische Politik möglich ist und nicht nur Teil der Sonntagsrede mit dem Blick zum eigenen Fleischtopf. Ich fühle mich einer Idee verpflichtet, welche den Mensch in den Mittelpunkt stellt und nicht Menschen die eine Idee missbrauchen, um im Mittelpunkt zu stehen.