1. Handlungsfähiger Staat

Sachsens Bürger und Bürgerinnen haben ein Recht auf die Bereitstellung von leistungsstarken öffentlichen Dienstleistungen. Gleichzeitig hat der Staat auch in Sachsen vielerorts öffentliche Dienstleistungen in kommunalen Besitz wie Stadtwerke, die Abfallentsorgung, ÖPNV, Krankenhäuser und Wohnungen privatisiert. Sind Sie – wo dies möglich ist – für eine Rücküberführung von bereits privatisierten Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in kommunale Verantwortung?

Die Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger wie Gesundheitsdienste, Wohnungen, Bildung, Jugendhilfe, Kultur, Energie, Wasser, Busse, Bahnen und Abfallentsorgung gehören in die öffentliche Hand. Aufgaben der Daseinsvorsorge dürfen nicht zuerst der Gewinnerzielung dienen, sondern müssen dem Allgemeinwohl verpflichtet sein.Ich bin für eine Rekommunalisierung bzw. für den Erhalt im öffentlichen Eigentum.

2. Eine moderne Industriepolitik

Auch sächsische Betriebe spüren die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Welche Instrumente, neben den konjunkturellen Maßnahmen des Bundes, könnten die sächsische Wirtschaft stützen?

In der Mittelstandspolitik setzt DIE LINKE auf die positiven Impulse von regionalen Wirtschaftskreisläufen. Deshalb wollen wir Regionalbudgets einführen, die den Regionen das Recht zubilligt, Fördergelder der EU, des Bundes und des Freistaates im Interesse der jeweiligen Region und der regionalen Wirtschaft selbstständig einzusetzen. Eine stetige kommunale Investitionspauschale, die vor allem für Aufträge an die kleinen und mittleren Handwerksbetriebe und Unternehmen in der Region eingesetzt werden soll, versetzt die Kommune in die Lage, vor Ort zu investieren.

Ich unterstütze die Idee der Einführung eines Regionalgeldes zur Förderung der regionalen Wirtschaft und damit hier erwirtschaftete Werte auch – in gewissem Umfang – wieder in der Region investiert werden können. Eine breite Vernetzung gerade von kleinen Unternehmen und eine Politik, die Unternehmen möglichst einfache Zugänge zu Ausschreibungen ermöglicht, ist hierbei genauso notwendig wie eine Auftragsvergabe, die sich an sozialen Mindeststandards orientieren. Denn nur wenn die Menschen, die hier leben auch genügend Mittel zur Verfügung haben um ortsansässige Dienstleistungen zu kaufen, wird damit langfristig das Überleben der Kleinunternehmer und des Mittelstandes gesichert sein.

3. Faire Löhne

Der Staat kann Maßnahmen zur Sicherung menschenwürdiger Löhne ergreifen. Befürworten Sie Tariftreueklauseln im Vergaberecht, die Allgemeingültigkeitserklärung von Tarifverträgen oder eine gesetzlichen Mindestlohn?

Die Forderung nach einem Vergabegesetz im Freistaat Sachsen, das für öffentliche Aufträge sozial und ökologische Mindeststandards setzt, die Einhaltung von Tarifverträgen sichert und eine Mindestlohnklausel enthält, könnte schon Wirklichkeit sein. Im Oktober 2006 hat die Linksfraktion einen Gesetzentwurf zur Einführung der Tariftreueerklärung sowie weiterer Instrumente zum Schutz und zur Förderung der sächsischen Wirtschaft in das Vergaberecht in Sachsen in den Landtag eingebracht. Auch wenn dieser Antrag durch die Regierungskoalition abgelehnt wurde, wird DIE LINKE diese Forderungen erneut in den Landtag tragen.

Leiharbeit ist für mich eine Form moderner Sklaverei. Daher setze ich mich für deren Abschaffung ein. In wenigen Bereichen, in denen das Prinzip der Leiharbeit sinnvoll sein könnte, z.B. im Bereich hochqualifizierter Expert/innen, welche nur projektgebunden für einen Arbeitgeber arbeiten, müssen die Beschäftigten eine Entlohnung erhalten, die den persönlichen Verzicht auf Kündigungsschutz und betriebliche Reglungen durch ein höheres Entgelt ausgleicht. Leiharbeit darf nicht als Instrument zur Aushöhlung von Tarifen oder Betriebsvereinbarungen nutzbar sein.

4. Energiepolitik

Wie sieht eine zukunftsfähige Energiepolitik für Sachsen aus? Sollte Sachsen auch langfristig auf die Braunkohle setzen?

Nein. Sachsen muss seinen Anteil zur schrittweisen Einführung einer auf erneuerbare Energien gestützten Versorgung leisten. Das Festhalten an der Braunkohle ist nicht nur klimatechnisch eine Sackgasse, es ist auch nicht notwendig. Bei einem geplanten mittelfristigen Ausstieg bis 2040 ist genügend Zeit für die Weiterentwicklung einer Versorgung auf erneuerbarer Rohstoffbasis bzw. des Ausbaus der Nutzung der Sonnen- und Windenergie. Bereits heute arbeiten mehr Menschen in Bereichen der umweltverträglichen Energiegewinnung als in der Verstromung von fossilen Brennstoffen. Ein weitere Zerstörung der Landschaft durch großflächigen Tagebau oder das Abbaggern von Dörfern ist weder sinnvoll noch notwendig.

5. Die beste Bildung in Sachsen

Unterstützen Sie das Modell der Gemeinschaftsschulen, in denen die Schüler und Schülerinnen bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen?

Die Überwindung des mehrgliedrigen, sozial und kulturell auslesenden sächsischen Schulsystems bleibt eines der wichtigsten Ziele. Die solidarisch und gesellschaftlich gerechte Förderung unterschiedlich begabter Schülerinnen und Schüler kann aus Sicht der LINKEN nur auf dem Weg des längeren gemeinsamen Lernens bis zur Klassenstufe 10 gelingen. Deshalb streben wir die flächendeckende Einrichtung von Gemeinschaftsschulen an. Den Übergang zum Erwerb der Hochschulreife wollen wir mittels einer Differenzierung ab Klasse 9 gestalten, auch mit dem Ziel einer Erhöhung der Abiturquote.

6. Sachsen in Europa

Was ist zu tun, um die Chancen, die die Lage im Dreiländereck Elbe-Neiße bietet, zu nutzen? Ist der Freistaat auf die Einführung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Polen, Tschechien, die baltischen Staaten und Ungarn im Jahr 2011 vorbereitet?

Die Euroregion ist eine große Chance, die wir nicht leichtfertig verspielen dürfen. Der kulturelle, intellektuelle und kreative Reichtum der Menschen die hier leben, muss als gemeinsame Identität entwickelt werden. Die landschaftlich und städtebaulich einmalige Schönheit der gesamten Region ist ein Potenzial, welches wir nur gemeinsam optimal nutzen können. Als Görlitzer erlebe ich täglich, welche Vorteile aber auch welche Schwierigkeiten das Zusammenleben und Arbeiten in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec hat. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass nationalstaatliche Abgrenzung und das Kultivieren der Unterschiede letztlich keinem nutzt. Um Rassismus, Faschismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus entgegenwirken zu können, brauchen wir weitere Projekte der gemeinsamen Zusammenarbeit und Möglichkeiten des Kennenlernens. Die deutsch-polnischen Schulklassen und Kindergärten in Görlitz/Zgorzelec können da nur ein Anfang sein.

Bis zur Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die ich ausdrücklich begrüße, muss es uns gelingen soziale Mindeststandards und einen allgemeingültigen gesetzlichen Mindestlohn von mindesten 10 Euro pro Stunde einzuführen. Nur so kann verhindert werden, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden um Gewinne zu maximieren.

Link: Homepage des DGB Ostsachsen zur Landtagswahl