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Brandanschlag in Bautzen Quelle: Linkes Kollektiv Bautzen

Um es gleich vorweg zu nehmen: Bautzen hat ein Naziproblem und die Lüge, dass dem nicht so sei, wird nicht wahrer, wenn man sie wiederholt. Vielleicht sollte man diesbezüglich auch nicht den Oberbürgermeister Ahrens und den Landrat Harig (CDU) in ihren gemütlichen Amtsstuben fragen, sondern die Menschen, die alltäglich davon betroffen sind: Andersdenkende, Linke und besonders Geflüchtete. Medial interessant wurde es erst ab dem 9. September. „Die Sachsen Demonstration“ (DSD) hatte zu einer Demonstration in der Stadtmitte aufgerufen, linke Kräfte zu einer Gegenkundgebung auf dem mittlerweile berühmten Kornmarkt („Platte“). Wenige Tage vor den Ereignissen rief die berüchtigte Neonazi-Facebookseite „StreamBZ-Fotografie“ unter Anti-Antifa-Fotograf Benjamin M. dazu auf, „keine linken Aktivitäten zu dulden“ und den „Nazikiez zu verteidigen“. Erschrocken von dieser klaren Botschaft informierte ich am nächsten Tag den OB Ahrens, Landrat Harig und den Chef der Polizei Conny Stiehl per E-Mail inklusive Screenshots des besagten Aufrufes. In den Antworten von OB und Polizei hieß es, dass man sich darum kümmern werde. Auf die Antwort des Landrates warte ich bis heute. Wie der 9. September dann aussah, konnten wir alle in der Presse lesen: Die Situation eskalierte, Flaschen flogen und die linke Kundgebung musste von der Polizei in die Sicherheit des Jugendzentrums „Steinhaus“ eskortiert werden, welches die Rechten trotz anwesender Polizei noch versuchten zu stürmen. Die Schuldigen waren schnell gefunden: Die jungen Geflüchteten (Amtsdeutsch: umA). Sie hatten die ersten Flaschen geschmissen und damit die Eskalation angeblich provoziert. Die Lage zuvor war laut Polizei „friedlich“ und „entspannt“. Die beinahe Schlägerei zwischen Nazis und Geflüchteten konnten sie nicht mitbekommen haben, trafen sie am Demotag doch erst eine halbe Stunde nach offiziellem Beginn ein. In den nachfolgenden Tagen erlangte Bautzen traurige Berühmtheit durch Hetzjagden „couragierter besorgter Bürger“ auf junge Geflüchtete. Der Landkreis reagierte mit Hausarrest für die Geflüchteten und eine Sicherheitszone wurde in der Stadt errichtet. Die Situation beruhigte sich scheinbar dank massiver Polizeipräsenz. In den nachfolgenden Tagen verfassten „StreamBZ-Fotografie“, DSD und Andere eine gemeinsame Erklärung, welche einem Erpresserbrief gleichkam. Man wolle vorerst auf Aktionen verzichten und gäbe der Politik nun die Möglichkeit zu handeln. OB Ahrens reagierte mit einem Gesprächsangebot, während er gleichzeitig eine linke Solidaritätskundgebung als „Stellvertreterdemo“ stigmatisierte. Das Ergebnis des ersten Gesprächs liest sich in einer Pressemitteilung der Stadt Bautzen wie folgt „Die Vertreter der Rechten äußerten, dass ihnen die Beruhigung der Situation auf dem Kornmarkt wichtig sei – unabhängig von den Nationalitäten der dort auftretenden Personen. Man wolle nur „Ordnung auf der Platte“, dabei sei ihnen klar, dass „man mit Gewalt keine Lösungen erreichen könne.“ 1 Man könnte drüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Nun will auch Landrat Harig das Gespräch suchen, während die Bautzener CDU Aktionen „gegen Extremismus“ vorschlägt. Währenddessen gab es in der letzten Woche vermehrt Berichte Jugendlicher, die von Neonazis verfolgt und fotografiert wurden. Trauriger Höhepunkt ist ein Brandanschlag auf eine Skateanlage. Die am Brandort gefundenen Parolen „Wir kriegen euch“, „Nazi-Zone“ und „AFA wegboxen“ (AFA = AntiFaschistischeAktion) sprechen für sich. Das Maß ist schon lange voll und nach voll kommt Haufen – in Bautzen ein großer brauner. Da helfen auch keine Lippenbekenntnisse gegen Rassismus und der pauschalisierte Extremismusbegriff. Auch wenn das niemand hören will: Wir haben hier ein Problem mit Nazis, die selbst keinen Hehl um ihre Gesinnung machen. Einzig die verantwortlichen Politiker tun das und laden den etwas „bürgerlicheren“ Arm zum Gespräch. Der Mob tobt und feiert, Andersdenkende und Geflüchtete leben weiter in Angst. Anders als die abstrakte Angst vor dem Fremden, die „besorgte Bürger“ äußern, sind die Gründe hierfür klar ersichtlich. Wie lange wollen die Verantwortlichen noch die Augen davor verschließen? Wann wird das Problem endlich beim Namen genannt und entsprechend angegangen? „›Wehret den Anfängen‹ ist längst überholt! Wir sind mittendrin!“ (Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende)

1 http://www.bautzen.de/aktuelles.asp?dtlpresse=T&lid=3287&iid=21

Nachbemerkung:

Wer glaubt es sei nun plötzlich über Bautzen hereingebrochen der sollte sich an die Nacht des 1.5.2011 erinnern. Was da war könnt ihr hier sehen: https://youtu.be/bkU6KTjLTYU